1. April 2020 / Allgemeines

Mittelstand steht trotz „Rettungsschirm“ kräftig im Regen - Offener Brief des Wirtschaftsclub

Der Wirtschaftsclub Bamberg informiert

Offener Brief des Wirtschaftsclub Bamberg: Mittelstand steht trotz „Rettungsschirm“ kräftig im Regen

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Politik-Verantwortlichen,
liebe Interessenvertreter,

wir als Wirtschaftsclub Bamberg e.V. sind DAS lokale Netzwerk für Unternehmer und Führungskräfte der Region. Wir bieten unseren Mitgliedern eine wichtige und stark frequentierte Kommunikationsplattform für den Austausch untereinander und genießen den Ruf als „Sprachrohr der Wirtschaft“. In den vergangenen Tagen sind viele Unternehmer, Solo-Selbstständige und Führungskräfte verzweifelt an uns herangetreten, da sie sich in keiner Weise von der Politik ernstgenommen fühlen. Etliche kämpfen um nichts weniger als ihre Existenz, weil das Ladengeschäft geschlossen, Veranstaltungen abgesagt oder der gastronomische Betrieb in minimaler Sparflamme betrieben werden muss. Es fehlt schlichtweg an Liquidität! Der Wahlkampf und die eigene Positionierung standen bei vielen politischen Vertretern oftmals im Vordergrund des eigenen Handelns, eine konkrete Umsetzung der verschiedenen Hilfs- und Förderprogramme rückte ins zweite Glied.


Großmundige Versprechungen gehen nach Ansicht unserer Mitglieder vollkommen an der Realität der Wirtschaftstreibenden vorbei. Unfassbare Summen in Milliardenhöhe wurden in Rekordzeit im Bundestag genehmigt. Etliche Rettungsschirme, ob von der Bayerischen Landesregierung, Stadt oder Landkreis wurden konzipiert und medienwirksam verkündet. Was jedoch Fakt ist: bislang kommt nichts tatsächlich bei den kleinen und mittleren Unternehmen an.
Die bürokratischen Hürden und Unklarheiten bei den Anträgen sind unserer Ansicht nach leider „typisch deutsch“ und teilweise so überzogen, dass man sich als Unternehmer mit fünf Mitarbeitern oder Soloselbstständiger kaum traut, die angeblich abrufbereiten Unterstützungsleistungen überhaupt zu beantragen.
Dabei rühmt sich doch die Politik, dass über diese Soforthilfen schnell entschieden wird und den Antragsstellern unkompliziert geholfen werden soll. Die Zeit drängt, Existenzen stehen auf dem Spiel! Neben der leichten Beantragung und einer echten finanziellen Unterstützung - und nicht nur in Form eines Kredites - geht es darum, dass die Unternehmer in dieser Phase keine Zeit (zu verlieren) haben: Die Kosten laufen weiter, Tag für Tag! Die „Hotline“ zum Kurzarbeiter-Geld sei seit Tagen gleichermaßen unterbesetzt wie überfordert, der Antrag extrem aufwendig und kompliziert, schimpft ein Unternehmenslenker gegenüber dem Vorstand unseres Wirtschaftsclubs. Die Verbände, in denen unsere Mitglieder Zwangsmitglied sind, wie IHK und HWK, ducken sich weg und man erhält als Betroffene/r schlichtweg viel zu wenig Unterstützung.


Finanzämter betreiben „business as usual“
Entgegen aller Ankündigungen der bayerischen Politik werden berechtigte Steuerrückzahlungen bekannter Bamberger Unternehmer verweigert, die aktuellen Steuern eingetrieben/abgebucht, Anträge auf Erstattungen abgelehnt und sogar Säumniszuschläge bei Nichtbezahlung der aktuellen Steuerlast veranschlagt. Ein Unding, aus unserer Sicht mehr als nur ein Anachronismus. Schlichtweg inakzeptabel!


Banken sind die Hände gebunden
Nach wie vor müssen die Banken sich an die „Rating-Kriterien und Basel 3“ halten. Die Hürden für Unternehmer, um an Kredite und Unterstützungsleistungen zu gelangen, sind gewaltig. In der aktuellen Phase, in welcher kaum noch
Liquidität im Markt vorhanden ist, bekommen Unternehmen, die vor der Krise kerngesund waren, plötzlich keinerlei Unterstützung mehr. Mögliche Darlehen müssen von Unternehmern bis zu 100% abgesichert sein, was viele in dieser
Phase schlichtweg nicht (mehr) leisten können.


Kleinunternehmer überfordert mit Kredittilgung
Es gibt zudem etliche Unternehmen, die jedes Jahr gerade so über die Runden kommen. Sie beschäftigen drei, vier oder fünf Angestellte, erwirtschaften aber keinen großen
Überschuss am Jahresende. Diese gibt es in jeder Branche. Diese Kleinunternehmen haben aber einen nicht unerheblichen Anteil an der Wirtschaftskraft unseres Landes.

Wie soll ein derartiges Unternehmen jemals den gewährten Kredit für ein Jahr zurückzahlen können? Da helfen auch keine Aussagen der Bamberger Behörden, dass man nach dieser Frist individuell sehen und entscheiden will, wie man mit den Krediten umgehen werde. Das bringt zum einen nur eine erhöhte Unsicherheit und zum anderen führt dies ggf. nur zu einer verschobenen Zahlungsunfähigkeit.


Wir fordern Sie auf:
Übernehmen Sie Verantwortung! Echte Verantwortung. Und setzen Sie Ihre Versprechen SCHNELL in die Tat um. Es muss rasch gehandelt werden, ohne noch mehr Schaden anzurichten! Es muss in der Praxis funktionieren und nicht nur vor der Kamera. Schaffen Sie für alle Branchen erhebliche Steuererleichterungen, wie dies schon andere
Staaten getan haben. Erstatten Sie Gewinn-Steuern der letzten Jahre zurück, um den vormals gesunden Unternehmen wieder beim Neuaufbau zu helfen. Und noch eine wichtige Bitte: Schaffen Sie eine Möglichkeit, dass der Staat einen etwaigen Mietausfall der Vermieter durch von der Corona-Krise betroffene Unternehmen übernehmen kann oder der Vermieter Steuererleichterungen dafür erhält. Sorgen Sie auch dafür, dass die Gewinner der Krise, wie Amazon & Co. in Deutschland endlich zur Kasse gebeten werden und hier Steuern zahlen!


Liebe Leserinnen, liebe Leser,
auch an Sie hätten wir eine Bitte: Unterstützen Sie die lokalen Unternehmen, die Gastronomie und den Handel, die Dienstleister und Handwerker aus der Region. Zeigen Sie Solidarität und helfen Sie uns, gemeinsam wieder eine funktionierende lokale Wirtschaft aufzubauen. Bestellen Sie nicht auf großen Online-Plattformen, sondern nutzen Sie beispielsweise das in der Corona-Krise gegründete Projekt http://www.liefert.jetzt, welches ausschließlich die lokalen Wirtschaftstreibenden kostenlos unterstützt.
An Sie lieber Unternehmer gerichtet: Nutzen Sie Ihre regionalen Kontakte und unterstützen Sie sich gegenseitig. Wir halten zusammen! Wir, als Wirtschaftsclub Bamberg, bleiben an den wichtigen Themen dran und unterstützen Sie bestmöglich auf dem gemeinsamen Weg.

Vielen Dank für Ihre Unterstützung
Ihr Vorstand des Wirtschaftsclub Bamberg e.V.

 

Quelle: Wirtschaftsclub Bamberg e.V.

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